als der wellensittich verstummte

Advent ist eine eigene Zeit. Glühwein und Dunkelheit und Hirtenspiele. Verheißung und Erwartung. Und jede Menge Emotionen. Frau M. kommt im Advent ins Hospiz, zwei Tage nach Maria Empfängnis. Frau M., Sarah mit Vornamen, Engländerin, war selbst Krankenschwester, der Hospizbewegung eng verbunden.

 

Im St. Christopher's Hospice in London hatte sie einst ihr Praktikum absolviert. Genau dort, wo im Jahre 1967 alles begann, wo Cicely Saunders erstmals dieses Wagnis auf sich nahm, Sterbenden einen eigenen, würdevollen Platz zu verschaffen. Dort also hatte auch Miss Sarah gelernt und gearbeitet.

 

Jetzt, im Advent, ist sie selbst am Ende ihres Lebens angelangt, noch keine sechzig Jahre alt. Sie will dieses Leben in einem Hospiz beschließen. Familiäre Bande hatten sie nach Salzburg verschlagen, also kommt Frau M., eine gepflegte, anmutige Erscheinung auch in der Krankheit noch, ins Hospiz an der Dr.-Sylvester-Straße. Es bleiben ihr nur wenige Tage, eine Handvoll Tage, um genau zu sein. Aber „es ist in Ordnung". Jeder, der ihr Zimmer betritt, hat das Gefühl: ,,es stimmt". Hier ist der richtige Ort. Die Hospizmitarbeiter haben dieses Gefühl, und die Angehörigen haben es auch. Die Tochter zum Beispiel.

 

Ganz am Schluss, am Nachmittag des 15. Dezember, am Montag nach dem 3. Advent, spüren alle, "dass es soweit ist", dass Frau M. "schön langsam.." Die Tochter kommt, hilft mit beim Lagern, beim Umbetten. Die Mutter soll es angenehm haben bis zuletzt, gerade zuletzt. Es wird allmählich dämmrig, eine Adventkerze wird entzündet. Adventstille im Raum - bis auf den Wellensittich von Frau M., der wie jeden Tag fröhlich herumlärmt. „Ich schlupf schnell noch zu meiner Mutter ins Bett", sagt die Tochter und legt sich, einfach so, zur sterbenden Mutter.

 

Ein Bild des Friedens, ein unglaubliches Bild, das keiner, der dabei war, vergessen wird. Arm in Arm liegen sie da, Tochter und Mutter, als Frau Sarah M. in tiefem Frieden verstirbt. Auch der Wellensittich, das können alle beschwören, die dabei waren, die Hospizmitarbeiter wie die Angehörigen, hat zu singen aufgehört in diesem unfassbaren, unfassbar harmonischen Augenblick...